Die Kellerkiste 2014
Begehrte Sammlerstücke sind sie, diese Kellerkisten mit den großen Lagen aus den Weinbergen der Kellers. Oft tauchen diese Kisten zu entsprechend hohen Preisen auf Auktionen auf. Seltener liest man davon, dass sie geöffnet und die Weine verkostet werden. Wir haben mit dem Öffnen und verkosten im letzten Jahr angefangen, „Ten Years after“ mit der 2013er Kellerkiste. Und so machten wir auch dieses Jahr weiter, natürlich in der D-Schänke bei meinem Freund Thomas Demske. Und da das keine kommerzielle Probe ist – die Kiste kommt jeweils aus meinem Keller – müssen wir die Weine nicht auf möglichst viele Gläser aufteilen, sondern konnten in unserer kleinen 7er Runde beliebig über längere Zeit nachverkosten.
Gestartet sind wir mit dem 2014 Hubacker. Der zeigte gleich deutlich die Stilistik des Jahres und war deutlich straffer und trockener als der 2013er im letzten Jahr. Großartig die Struktur, sehr gut und auch etwas fordernd die Säure, präzise die Frucht, gewaltig das Potential, und trotzdem war da schon ein ganz feiner, erster Schmelz. Machte schon verdammt viel Spaß, dieser wie alle Weine etwa 2 Stunden vorher geöffnete Hubacker – WT96+.
Fein, elegant, verspielt zeigte sich das vor allem auch in der Frucht – feine Mirabelle – noch sehr zurückhaltende 2014 Kirchspiel mit sehr feiner Kräuternote und hellem Tabak – WT95+.
Mit Eleganz pur kam die perfekt balancierte, aber immer noch so blutjunge 2014 Abtserde ins Glas. Die war so unglaublich stimmig, dazu mit enormem Tiefgang und blieb sehr lang am Gaumen. Die Abtserde ist eigentlich mein Lieblingswein, und hier scheint sich auch wieder etwas ganz Großes zu entwicken – WT97+.
Lange kann man darüber diskutieren, ob solche jungen Weine dekantiert gehören. Der liebe Oliver Speh, ein Meister seines Fachs, hatte nach kurzem Schnelldurchgang beim Öffnen entschieden, die ersten drei Wein nur zu öffnen, die anderen vier kamen in die Karaffe. Dem 2014 Morstein hatte das wohl sehr gutgetan. Das war einfach die Kraft und die Herrlichkeit. Der knallte mit irrer Dichte förmlich am Gaumen und wirkte mit enormer Pracht und Fülle wie ein Batard Montrachet aus Rheinhessen. Wirkte dabei scheinbar reif, wird aber noch zulegen und war bei aller fruchtigen Fülle nicht fett, sondern das, was man bei einem Steak perfekt marmoriert nennt. Zum jetzt und hier trinken war das der Wein des Abends - WT98+.
Etwas spitz und sehr zitrisch wirkte vor allem zu Anfang zu Anfang der 2014 Pettenthal, so eine Art großer Chablis vom Roten Hang. Sehr fein und geradezu filigran, packte trotzdem am Gaumen zu und biss richtig mit der irre jungen Mördersäure und wirkte wie frisch abgefüllt. Und hier zeigte sich jetzt wieder der Vorteil des Nachverkostens. Mit Luft und Wärme wandelte sich Zitrus zu Mandarine, dazu kam etwas Exotik – WT97+.
Und damit wären wir wieder beim Dekantieren. Direkt nach dem Entkorken war der 2014 Hipping der absolute Favorit im Schnelldurchgang. Jetzt zeigte der Hipping eine irre, fruchtige Fülle mit toller Struktur, dazu eine unglaubliche Kraft und Länge, zeigte aber mit der Zeit auch eine vermeintliche Reife und intensive Fruchtsüße – WT97+. Ist doch einfach schön, wenn man auf diesem verdammt hohen Niveau noch etwas jammern kann, oder?
Und dann war da Deutschlands begehrtester und teuerster, trockener Weißwein, der 2014 G-Max. Der wirkte wie ein Rohdiamant. Viel zu jung und verschlossen, aber mit irrer Säure, unglaublicher Dichte und gewaltigem Potential. Klar lässt sich, gerade wenn man G-Max kennt, erahnen, was da mal draus werden könnte, aus diesem konzentrierten Mörderteil – WT96+. Aber hier sind sicher nochmal 10 Jahre warten angesagt, wenn nicht länger.
Kurzes Fazit gefällig? Mich hat die unglaubliche Dichte und diese rassige Struktur der 2014er aus diesem schwierigen, lange verkannten Jahrgang sehr positiv überrascht. Das sind langlebige Weine, die bei entsprechender Lagerung noch in 20 Jahren und länger für große Überraschungen sorgen werden, ähnlich 2004 und 2008. Also in Zukunft die Kiste länger zulassen und gleich vererben? Sicher nicht. Die Neugier gehört befriedigt. Und was die besten Winzer aus diesem, von der Witterung her schwierigen Jahr gemacht haben, das ist beeindruckend und verdient hohe Anerkennung. Ich freue mich schon im nächsten Jahr auf die Kellerkiste 2015.
Und wie kommen da diese Rotweine ins Bild? Da hatte der ein oder andere von uns noch ein feines, rotes Tröpfchen mit. Und nach so einem verschlossenen G-Max kann man durchaus mit so einem genialen 1997 Penfolds Grange weitermachen. Der zeigte aus wohl perfekt gelagerter Flasche noch geradezu jugendliche Frische, betörende Frucht, Cassis, Minze, etwas Eukalyptus, Peru Balsam, war hoch elegant, balanciert und nachhaltig zugleich mit genialer Struktur und gewaltiger Länge – WT97.
Mit erstaunlich dichter, intakter Farbe kam danach ein 1962 Rioja Gran Reserva von den Bodegas Bilbainas ins Glas. Der war sehr würzig mit schöner Frucht und Kaffee, dabei elegant mit erstaunlicher Kraft und schöner Länge – WT95.
Schlichtweg sprachlos machte der 1996 Latour. Mit traumhafter Struktur, immer noch massivem Tanningerüst, superber, dunkler Frucht, enormer Kraft und Länge, war das jetzt absolute Perfektion und mit genügend Substanz für mindestens 40 weitere Jahre – WT100. Schade, dass ich wohl nicht mehr erleben werde, wie dieser gigantische Wein mit 100 Jahren schmeckt.
Glück haben muss man bei 1982 Figeac. Das ist ein muskulöser, maskunier Wein, von der kernigen Art her eher linkes als rechtes Ufer. Aber er kann auch streng und herb sein, vor allem in der Nase, und dabei an gewisse Heitz Marthas Jahrgänge aus der ersten Hälfte der 80er erinnern. Hier hatten wir jetzt Glück. Der Figeac war dicht, kräftig mit guter Struktur. Etwas Herbstlauch und schöne Süße deuteten beginnende Reife an – WT95. Ist übrigens nicht auf dem Bild. Der hat irgendjemandem so gut gefallen, das er die Flasche mitgenommen hat.