Spontane Sommer Best Bottle
Ob wir nicht einen Weinabend machen könnten, fragte ein Schweizer Freund, er käme in ein paar Tagen nach Düsseldorf. Es ist sonst schon nicht leicht, hier in Düsseldorf eine gute Runde für eine Probe zusammen zu bekommen. Aber dann noch in den Sommerferien? Kurze Rundfrage per Whats App und eine tolle 11er Runde war perfekt.
Gut, dass kein Amerikaner mit am Tisch war. Der wäre an der Bezeichnung des ersten Weines, dieses 2015 Ürziger Würzgarten Unterst Pichler Alte Reben Riesling GG Reserve von Dr. Loosen sicher verzweifelt, aber nicht am Wein. Das war ein feines, schmelziges, würziges „Möselchen“ mit pikanter, animierender Frucht und guter Säure. Dürfte sich über lange Jahre entwickeln – WT95+.
Reif war der 2000 Riesling Singerriedel Smaragd von Hirtzberger, aber ohne Alter. Der war geprägt von reifer Marille und zeigte enorme Kraft, Druck und Fülle mit toller Länge – WT97. Sehr spannend war aus gleichem Jahrgang der 2000 Grüner Veltliner Honivogl Smaragd von Hirtzberger. Mit dunkler, aber brillanter Farbe war er sehr würzig und sehr kräftig, ätherisch, wiederum mit reifer Marille, hier eingekocht, wirkte er in seiner Konzentration wie ein geiler, weißer Rhonewein. Dazu war er sehr würzig mit massig Kräutern, sehr pfeffrig mit hoher Extraktsüße. Ein echtes Unikat – WT99.
Eine sehr dichte Farbe hatte der 1929 Galan aus Haut Medoc, dazu leider in der Nase einen deutlichen Korkstinker, am Gaumen besser mit erstaunlicher Kraft und toller Länge. Ohne die etwas grenzwertige Nase wären da sicher mehr als WT92 drin gewesen. Große Klasse war der überraschend schöne 1937 Palmer. Der war sehr elegant mit feiner Kirschfrucht und burgundischen Konturen, einfach typisch Palmer immer noch voll intakt und deutlich jünger wirkend – WT95. Sehr reif und eigentlich im Vergleich zum Palmer der ältere Wein war der 1953 Montrose. Vor allem in der Nase zeigte er mit viel Liebstöckel deutliches Alter. Am Gaumen baute er mit Kraft und auch Eleganz aus und zeigte gute Mineralität – WT93. Auch hier wäre mit besserer Nase eine deutlich höhere Bewertung drin. Extra für den lieben Oliver Speh, der sich als ehrenamtlicher Sommelier zur Verfügung stellte, hatte ich aus seinem Geburtsjahr diesen formidablen 1962 Troplong Mondot angestellt. Der zeigte noch viel Kraft und eine tolle Struktur, dazu schöne Frucht, Eleganz und Länge. Die ja immerhin über sechzig Jahre merkte man weder dem Troplong noch dem Oliver an – WT95.
Kurz vor der Probe hatte unser Freund Tobias gerundet. Da konnte ich mir nicht verkneifen, zwei spannende Weine aus seinem Geburtsjahr anzustellen. Sehr fruchtig zeigte sich immer noch dieser 1974 Barbaresco von Gaja mit Sauerkirsche, Walderdbeeren und Eisbonbon, dazu feine Rosentöne. Trank sich mit feinem Schmelz einfach saulecker – WT97. So stellt man sich einen großen Jubiläumswein zu. Die vielleicht noch größere Überraschung war aus Argentinien dieser 1974 Ricón Famoso Vino Reserva Especial Tinto von den Bodegas y Vinedos Lopez. Der hatte eine sehr dichte Farbe, wirkte noch so jung und war so dicht und kräftig, zeigte eine tolle Frucht mit feiner Süße, und das alles mit nur 12,3% Alkohol – WT95. Das war einfach Famos(o).
Und da hatte uns der liebe Oliver jetzt mal wieder gekonnt vorgeführt. Eine Magnum 1989 Lynch Bages gab es aus zwei noch dazu unterschiedlichen Gläsern. Im ersten (Bordeaux) Glas wirkte der Lynch superdicht, kräftig mit viel Paprika, enormer Tiefgang und Länge, ein Hammerwein. Aus dem zweiten Glas, einem großen Burgunder Kelch wirkte er auf gleichem Niveau etwas feiner weicher. Beide male locker WT98. Aber wir hielten es natürlich bei aller Ähnlichkeit für zwei unterschiedliche Weine.
Im nächsten Flight standen zwei große Haut Brions gegeneinander. Der eigentlich noch sehr tanninbetonte 1986 Haut Brion wirkte aus dieser Flasche erstaunlich zugänglich und gab einen schönen Blick in eine grandiose Zukunft mit enorm druckvoller Aromatik, mit Tabak und Zigarrenkiste, aber auch Eleganz, Finesse und schöner Länge – WT96+. Auch der 2003 Haut Brion war in der Aromatik ein klassischer, typischer Haut Brion, aber erstaunlich reif, weich und sehr fein – WT95.
Und dann kam ein kalifornischer Traumflight. Dieser 1974 Mayacamas war hier aus perfekter Flasche so dicht und jung mit reichlich Eukalyptus und Minze, einfach ein perfektes Monster, das dem legendären 1974 Heitz Martha´s locker das Wasser reichen kann – WT100. Der wunderbare 1975 Mayacamas ist nicht weit davon entfernt, war aber aus dieser Flasche leider leicht korkig, deshalb nur WT96.
Sehr hoch gelobt, bei Parker mit 98 Punkten, ist der 2018 Morlet Family Vineyards Pinot Noir Joli Coeur. Enorm kräftig und dicht, Pinot Noir aus der Neuen Welt halt, mit irrer Frucht und Fruchtsüße, mit Kraft und Länge und dabei einfach ziemlich fett. Schon ein beeindruckender Wein, aber persönlich mag ich Pinot Noir schlanker und eleganter – WT96. So wie den danebenstehenden, wunderbaren 1983 Clos de Tart von Mommessin. Zu dem fehlen mir leider die Notizen, was ich aber mit der Zwillingsflasche nachgeholt habe.
Zurück zur Klassik. Kräftig, robust und muskulös, fing er derzeit eher etwas edel-rustikale 1982 Certan de May aus Pomerol zwar an, etwas mehr zu zeigen und dürfte in den nächsten Jahrzehnten noch für einige Überraschungen sorgen – WT95. Lang hat auch dieser 1983 Ausone aus St. Emilion gebraucht. Inzwischen ist das ein riesengroßer Wein, sehr elegant mit generöser, schmelziger Süße, aber auch toller Struktur und noch Potential für lange Jahre – WT97.
Ich bin immer wieder überrascht, wie schön sich gut gelagerte, perfekt gereifte Riojas präsentieren. Klar haben die eine etwas hellere Farbe. Aber diese verschwenderische Süße, mit der uns dieser würzige 1973 Marques de Riscal Rioja Reserva verwöhnte, das war schon große Klasse – WT96. Ebenfalls für eine Überraschung sorgte dieser 1976 Côte Rotie Côte Bruneet Blonde von Guigal. Der war immer noch so frisch mit explosiver Aromatik, saftige, dunkle Frucht, Veilchen, Lakritz, Kräuter, Frühstücksspeck, Trüffel und intensive Mineralität, dabei Eleganz und Finesse mit burgundischen Konturen – WT96.
Im letzten Flight dieses spannenden Abends kam dann noch ein überraschend schöner, perfekt gereifter 1985 Beychevelle ins Glas, so elegant und balanciert mit feiner Frucht, Minze, und Zedernholz – WT93. Der 1991 Trailside Vineyard von Heitz war immer noch so jung und zeigte sowohl die Klasse von Heitz als auch des Jahrgangs 91. Dunkle, altersfreie Farbe, so kräftig und würzig mit purer, saftiger Cassis Frucht, mit viel Minze und etwas Eukalyptus, Leder und Kräutern, entwickelte sich sehr gut im Glas - WT95.