Atemberaubende Petrus-Probe

Atemberaubend, schlichtweg atemberaubend war das, was da in einer absoluten Traumprobe ins Glas kam. Längst vorbei die Zeiten, wo man sich Petrus noch zu halbwegs akzeptablen Kursen leisten konnte. Den 89er konnte ich seinerzeit noch für umgerechnet €100 pro Flasche subskribieren. Heute ist da locker das 30fache fällig. Petrus ist einer der gesuchtesten Weine dieser Erde und besitzt nicht nur eine herausragende Qualität. Er ist leider auch zum Luxusprodukt geworden, um das sich die Nabobs dieser Welt streiten. Und damit inzwischen in eigentlich unerreichbaren Sphären. Also, was tun, wenn man sich diesen Traum noch einmal erfüllen wollte, den Traum vom hemmungslosen Petrus-Genuss?

Klar, es gibt immer noch vereinzelt kommerzielle Petrus-Proben, die meist schnell hoffnungslos überbucht sind. Damit die sich halbwegs rechnen, gibt es da dann bis zu 22 Gläser pro Flasche, also echtes Kampfnippen. Und wenn sich dann noch, wie bei diesen Proben häufig üblich, jeweils 2 Leute ein Glas teilen, dann kommt gerade noch ein 40tel einer Flasche oder weniger ins Glas. Das ist dann schon nicht mal mehr Nippen sondern grenzt an Moleküljagd. Das wollten wir nicht. Der liebe Bernd, der die Idee zu diesem „once in a Lifetime Event“ hatte und diesen auch vorbildlich organisierte, machte es anders. Er organisierte eine Best Bottle von Weinliebhabern, die vereinzelte Petrus im Keller hatten und die mit Gleichgesinnten teilen wollten.

In feiner, kleiner (=mehr ins Glas) 7er Runde trafen wir uns im Berens am Kai. Das Thema: Petrus. Jeder von uns stellte 2 Flaschen dieser Ikone.
Um es vorwegzunehmen: alle Flaschen waren absolut authentisch aus bester Lagerung und kamen ohne jeden Ausfall in die Gläser. Das habe ich in dieser Form nicht zu hoffen gewagt.
Perfekt auch das „Drumherum“. Zwei großartige Aperos, gleich zweimal ein absoluter Weltklassepirat auf klarem WT100 Niveau, und die Leichtigkeit des Seins in Form einer 2007 Wehlener Sonnenuhr Spätlese Magnum von JJ Prüm als Absacker. Dazu eine Küche wie vom anderen Stern, die perfekt zu den Weinen passte, und die ich selbst hier in dieser überragenden Qualität selten erlebt habe. Last not least die liebe Barbara, die unsere Weine in absoluter Perfektion in idealer Temperatur ins Glas brachte, für mich eine absolute WT100 Sommelier Leistung.

Auf höchstem Niveau schon unsere beiden Aperos, die für sich schon das Zeug zum Höhepunkt einer Weinprobe hatten. Sehr mineralisch mit faszinierender Brillianz und präziser Struktur die enorm druckvolle 2004 Hermannshöhle GG von Dönnhoff. Zeigte mit bemerkenswerter Frische und ohne Reifetöne sowohl die Klasse der Lage als auch dieses Jahrgangs – WT96. Ein großartiger Wein, der sicher noch 10-15 Jahre vor sich hat. Würde mich nicht wundern, wenn der noch zulegt. Die 2009 Abtserde GG von Keller aus einer schon am Vortag geöffneten Flasche zeigte sich zugänglich und offen mit saftiger, Frucht, Extraktsüße und wunderbarer, spielerischer Eleganz – WT95+. Aber ich bin mir sicher, das ist nur ein Zwischenhoch, da kommt innerhalb langer Jahre noch mehr.


Los ging es dann im ersten Petrus-Flight mit zwei reiferen Kandidaten. Der 1949 Petrus mit seiner sehr kräftigen, dichten Farbe war aus dieser Händlerabfüllung in der Nase mit einem Hauch Liebstöckel reifer als am durch die gute Säure durchaus noch Frische zeigenden Gaumen, wo er feiner, mit malziger Süße und pflaumiger Frucht eine gute Nachhaltigkeit zeigte – WT96. Absolut stimmig mit feiner Frucht, druckvoll und filigran zugleich, burgundisch im besten Sinne mit verschwenderischer Süße der 1955 Petrus, der keinerlei Alter zeigte. Perfekt wie schon im letzten Herbst bei Elke Drescher und ohne Frage WT100. Einen solch großen, über 60jährigen Wein altersfrei so trinken zu dürfen, dass er alles zeigt, das ist einer der großen Höhepunkte im Weintrinkerleben und einer der Gründe, weshalb ich mich für ältere Weine begeistere. 1955 ist eines meiner Lieblingsjahre in Bordeaux, aus dem bei guter Lagerung selbst kleinere Weine noch immensen Spaß machen können.

Wir waren mit Staunen noch nicht fertig, da ging es auf diesem hohen Niveau gleich weiter. Lange hat dieser 1970 Petrus gebraucht. Sehr unterschiedlich die Flaschen, aus denen ich ihn bisher im Glas hatte. Jetzt zeigte er sich als genialer, maskuliner Petrus aus einem Guss, bei dem einfach alles stimmte, sehr druckvoll mit wunderbarer Frucht und Süße, dazu enorme Kraft und unendliche Länge, ein Traum-Petrus mit stabilem Tanningerüst für weitere Jahrzehnte - WT100. Offener, hedonistischer und aus dieser perfekten Flasche noch so frisch und jugendlicher der 1971 Petrus in absoluter Bestform mit seidiger Eleganz, traumhafter Frucht und verschwenderischer Süße - WT100. Dieser 71er aus dem ja nicht gerade besten und langlebigsten Bordeaux-Jahrgang ist und bleibt wohl noch länger ein Phänomen. Über 20mal habe ich den jetzt in den letzten 20 Jahren im Glas gehabt. Irgendwo scheint der die zeitlose Jugend gepachtet zu haben. Würde ich nach dem nächsten Lottogewinn aus guter Lagerung bedingungslos nachkaufen

Noch so ein nicht ganz einfaches Jahr in Bordeaux ist 1975. Auch hier entstand bei Petrus der Wein des Jahres. Als Solitär danach der einfach geile, wilde 1975 Petrus mit geradezu irrer Frucht, explosiver Aromatik, gewaltigem Druck und Länge, dabei mit einer ungestümen, aber gleichzeitig auch unbeschwerten, jugendlichen Frische, scheint ähnlich dem 71er mit grandioser Struktur und immer noch stabilem Tanningerüst für eine ewige Zukunft gemacht zu sein - WT100.

Etwas schwierig zu verkosten zu Anfang der 1982 Petrus. Ein dichter, enorm kräftiger Wein mit dunkler Frucht, die eher aus dem Rumtopf kam. Da passten irgendwie zu Anfang nicht alle Elemente zusammen. Doch das gab sich mit Zeit und Luft. Der Petrus legte enorm im Glas zu und zeigte neben viel Kraft immer mehr Fülle und auch ersten, feinen Schmelz. Ich habe meine Bewertung dreimal hoch gesetzt und landete mit dem letzten Schluck bei WT97. Ich setze auf die Zukunft dieses Weines, den ich zum Jahrtausendwechsel schon dreimal deutlich offener und generöser mit perfekten WT100 im Glas hatte, und der sich danach zu verschließen schien. Hatte jetzt zwar nicht ganz die Klasse meiner Flasche 2017 aus eigenen Beständen, aber es scheint wieder aufwärts zu gehen. Vielleicht eine Art moderner 70er. Meine letzten, eigenen Flaschen packe ich jetzt noch mal für mindestens 5 Jahre weg. Chancenlos war der 1982 Petrus hier in diesem Flight gegen den Piraten, den 1982 Lafite Rothschild, aber auf was für einem Niveau. Auch der war ein großartiges Beispiel dafür, dass man solche weine nie abschreiben sollte. Als ich den 1996 für DM 100,-(!!!) in einer größeren Partie nachkaufen konnte, habe ich eine meiner damals total zugenagelten, tanninigen Flaschen aus dem Keller geholt und auf dieses Schnäppchen verzichtet. Dumm gelaufen. Erst 2011 auf einer René Gabriel Probe nach bis dorthin über 20 enttäuschenden Flaschen zeigte sich dieser Lafite wieder etwas offener und legte fortan kontinuierlich zu. Jetzt hier war das perfekter Traumstoff, ein Old School Lafite , sehr elegant, geradezu aristokratisch mit perfekter Struktur, mit süßer, erotischer Frucht, Zedernholz und intensiver Mineralität mit viel Graphit. Enorme Kraft, aber mit Grazie, einfach die Essenz von Cabernet – WT100.

Und dann kam ein perfektes Pärchen, das als modernere, jüngere Variante des Duos 70/71 durchging. Der 1989 Petrus startete etwas verhaltener in der Nase, aber das gab sich schnell. Was für ein gewaltiges Konzentrat mit unglaublicher, innerer Dichte und Mörder-Potential, das hier die jüngere Variante des 70ers spielte. Ein zupackender, großartiger Petrus, der alle Sinne forderte. Klar wird der sich weiterentwickeln und in den nächsten 20 Jahren zunehmend öffnen, aber dabei höchstens anders als heute werden, denn perfekter als perfekt geht nicht – klare WT100. Der offenere, hedonistischere, etwas barockere 1990 Petrus mit traumhafter Pracht und Fülle spielte den modernen 71er. Auch hier klare WT100. Und wie der immer noch so frische 71er zeigt, offen heißt bei Petrus noch lange nicht kurzlebig. Auch dieser 90er dürfte eine noch sehr lange Zukunft haben.


Kam jetzt mit 93/94 der Absturz? Nix da, selbst in diesen schwierigeren Jahren zeigte Petrus überragende Qualität. Der absolut stimmige und ausgeglichene, sehr finessige 1993 Petrus zeigte geniale, rotbeerige Frucht und Fülle, dazu feinen Schmelz. Ein Musterbeispiel für einen großartigen Petrus aus kleinem Jahr, der mit sehr guter Struktur und immer noch guten Tanninen noch lange nicht am Ende ist - WT96. Am Ende ist leider nur meine eigene 6er Kiste, die ich in den letzten Jahren mit größtem Vergnügen geleert habe. Auf gleichem Niveau war übrigens aus noch schwächerem Jahr der schier unglaubliche 1992 Petrus, seinerzeit für noch unglaublichere €80 subskribiert und inzwischen leider ebenfalls ausgetrunken. Der im direkten Vergleich dichtere, kräftigere 1994 Petrus zeigte hier in dieser Probe noch längst nicht alles und wirkte etwas verschlossen. Dürfte über lange Zeit zulegen - WT94+. Vielleicht hatte diese Flasche auch einen ganz leichten, schleichenden Kork, denn aus eigenen Flaschen wirkte er 2016 zwar auch sehr jung, aber deutlich fruchtiger und sexier.

Typisch für den Jahrgang zeigte sich 1995 Petrus bei aller Kraft offen und sexy, dabei sehr elegant mit wunderschöner Frucht und Fülle - WT96. Wirkt fast wie auf dem Punkt, aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Da ist genügend Substanz für 10-20 weitere Jahre. Ein gewaltiges Konzentrat mit irrer Dichte der 1998 Petrus, der mich an den ebenfalls überragenden, aber ebenfalls viel zu jungen 1998 Cheval Blanc erinnerte. Klar ist da cremige Frucht, aber auch Tannin ohne Ende. Möglich, dass der (wie auch der Cheval) aus warmer Lagerung schon trinkbar ist. Aus kühlem Keller wie hier ist das ein Potentialmonster, das nach mindestens 10 weiteren Jahren Lagerung schreit, bis aus WT95++ dann endlich wieder WT100 werden.

Deutlich offener, das gute Tanningerüst unter superber Frucht versteckt, der 1999 Petrus, der jetzt schon unglaublichen Spaß macht, aber mit enormer Kraft und Länge noch gewaltiges Potential besitzt und noch deutlich zulegen wird - WT96+.

Ja, und dann kam direkt danach noch eine weitere Flasche dieses perfekten 1982 Lafite Rothschild ins Glas. Unser Weinfreund Tobias, der den Lafite als Piraten gestellt hatte, wollte ganz sicher gehen und hatte eine Reserveflasche mitgebracht. Und da die Stimmung zu später Stunde noch so gut war und wir alle in Hochform, öffnete er die jetzt auch noch. Gefühlt wirkte die, obwohl aus derselben Kiste, etwas zugänglicher und trotzdem druckvoller, ebenfalls perfekter Wahnsinnsstoff. Wohl dem, der solche Freunde wie unseren Tobias hat.

Mit der unnachahmlichen Leichtigkeit des Seins verwöhnte uns danach noch eine perfekt balancierte, sehr elegante 2007 Wehlener Sonnenuhr Spätlese von JJ Prüm mit faszinierendem Süße-/Säurespiel aus der Magnum – WT94.


Wenn ich meine Notizen von dieser einmaligen Probe lese, muss ich mich immer wieder fragen, ob das alles wirklich wahr war. Nein, dass war kein Traum, das war einfach nur traumhaft.

Wer sich diesen Traum erfüllen möchte und das nötige Kleingeld oder die entsprechenden Freunde mit tiefen Kellern hat, sollte nur bitte beachten, dass auch Ikonen wie Petrus nicht unkaputtbar sind. Vielgereiste Flaschen, schlecht gelagerte oder schlimmstenfalls noch beides zusammen machen aus teuren Träumen sündhaft teure Alpträume. Zu jedem Petrus-Jahrgang finden Sie meine Verkostungsnotizen in den entsprechenden Jahrgangsübersichten, die auch gut die Entwicklung dieser Weine über die Zeit illustrieren. Und dann wäre da noch neben zahllosen Verkostungsnotizen noch die Berichte von René Gabriels großer Petrus-Vertikale 2005 in St. Moritz, von der großen Petrus-Weihnachtsprobe der Ungers 2008 und von Mythos Petrus mit reifen Jahrgängen 2017 bei Elke Drescher.